Hatte ich schon meine Midlifecrisis erwähnt? Naja, keine ernsthafte Midlifecrisis und laut einer guten Freundin kommt die sowieso erst ab ca. 45-47, aber auf dem Papier sollte ich jetzt – mit dem überschrittenen 40. Lebensjahr – eine haben.
Das ist das Problem – die habe ich nicht 🙂
Klar, ich bin älter geworden, habe mir – von aussen betrachtet – einen klassischen Midlifecrisis-Kauf mit dem Motorrad gegönnt, aber irgendwie fühlt sich die 40 kaum anders an als die 35. Auch wenn eine Rückblick wie der nun folgende natürlich auch dem Alter und der Reflektion über dieses geschuldet ist….
40 – das bedeutet (beinahe) 20 Jahre DNB als Musik. Meine erste DNB Party war 94 (Jungle, mit dem Dschungelbuch als VJ-Kram), mein erstes Whitelabel war T-Powers Mutant Jazz – und das klingt auch heute noch gut. Ich finde es ja immer schwierig, wenn ich die Personengruppen wie z.B. die Stones-Fans sehe, die seit 30 Jahren auf die immer selbe Abschiedstournee gehen und die gleichen Hits (aus ihrer Jugend) hören wollen und ehrlicherweise tat ich mich mit einigen Entwicklungen in der Bassmusik der letzten Jahre auch schwer (Grime), aber wenn ich den aktuellen drumandbass.de Podcast oder auch das phänomenale Set von Play (mit allen Klischees inkl. MC, Rewinds, Oldschoolkram etc) höre, dann kickt das immer noch. Mit aktueller Musik, die sich weiterentwickelt hat. Auch wenn ich einer der ältesten im Club sein mag und die Dubstep-Kids (see pic), die neben mir feiern, meine Kinder sein könnten. Klar (?), ich feier inzwischen nicht mehr die Nacht komplett durch – aber mir reicht es auch, ein paar Stunden den Bass meine Seele und meinen Magen massieren zu lassen und ich bin froh, dass wir in Köln noch eine so lebendige Szene haben!
40 – das bedeutet 20 Jahre Internet. Davor, in der BBS Szene, war ich nur passiv mit dabei, meine Eltern erlaubten weder Akkustikkoppler noch 9.6 Modem für den Amiga. Freunde hatten das aber, so dass wir da schon die ersten online-Erfahrungen sammeln konnten. Aber das war nichts gegen die Welt des Internets, die sich mir dann 1993 an der Uni erschloss. Ich war chstud47, d.h der 47. Chemiestudent an der Uni Konstanz mit einer Mailadresse. Da gab es newsnet, ftp server und Gopher – also alles was man so braucht. Dachte ich damals, als ich 1994 dann das erste mal über das “www” stolperte und mein damaliger Ausspruch disqualifiziert mich bis heute als Zukunftsforscher: “Wer braucht schon Bilder im Internet, mit Gopher finde ich doch alles was ich brauche!”. Als digital native fühle ich mich aber trotzdem nicht, ich nutze lieber mail als (facebook/whatsapp) chat, die ich beide doof finde – vielleicht doch ein Zeichen des Alters 😉
40 – das bedeutet über 20 Jahre Führerschein ohne je ein Auto besessen zu haben. Als Student konnte ich mir keins leisten, später brauchte ich kein eigenes – Carsharing sei dank.
40 bedeutet aber auch, dass ich doch auch spürbar älter geworden bin, körperlich (anfälliger für Krankheiten, Hörsturz vom feiern [Luftdruckfanfare neben meinem Ohr bei Grooverider 1997, aber alles wieder gut…]) und auch geistig. Nichts schlechtes, ich bin ruhiger geworden, weniger impulsiv, überlegter. Nicht unbedingt reifer 😉
Hätten wir Kinder, könnte ich mir vorstellen, dass es schwierig für diese wäre, sich von uns abzugrenzen. Streetwear, zeitgenössische Musik, Netzaffinität, etc. Aber nur weil ich älter werde, heisst das ja nicht, dass ich jetzt eine Eiche-Schrankwand, Fliesentisch, Benz und die goldene Ehrennadel des Tourismusverbandes Vorarlberg für 20 jähriges Übernachtungsjubiläum bevorzuge.
Ich will auch weiter – solange es geht – neugierig auf Neues sein, etwas ausprobieren, was ich noch nicht kenne, mich weiterentwicklen, die Komfortzone verlassen müssen und dazulernen. Dazu ist es egal, ob ich 20, 30, 40 oder 50 bin – wenn ich lernen will, Long-/Skateboard zu fahren, dann kann ich das auch jetzt machen. Klar wird das länger dauern als mit 10, das habe ich schon beim Motorradführerschein und beim Skikurs gesehen aber das ändert ja nichts an der Grundeinstellung (siehe oben). Ich kann mir jetzt einfach eher die Aktionen leisten, die ich als Kind/Student nicht machen konnte – und daran soll sich so schnell auch nichts ändern – solange ich es noch kann. Wenn das bedeutet, dass ich mit 50 noch (mit einiger Würde, ohne Zivi) im Club feiern kann, super. Wenn nicht, dann hoffe ich, dass ich nicht nur “best of LTJ Bukem/Raggajungle” für den Rest meines Lebens höre, sondern auch neuen Shit. Neugierig bleibe. Sachen ausprobiere, die ich nicht kenne und vor denen ich Respekt habe. Neues sehe und kennenlerne.