Nachdem ich letzte Woche schon slackte, jetzt noch eine Bücherkritik, bevor dann wieder aktuellerer Content kommt.
Schirach: Der Fall Collini, Verbrechen und Tabu
Schirach ist ein prominenter Strafverteidiger, der inzwischen mehrere Bücher veröffentlicht hat. Die ersten beiden habe ich gerne gelesen, beim dritten bin ich nach der Hälfte ausgestiegen – warum das?
Der Fall Collini:
Ein hochrangiger Manager wird völlig überaschend (ohne augenscheinliches Motiv) erschossen, der Strafverteidiger – ein Ziehsohn des Managers wird Pflichtverteidiger (hat das Mandat angenommen, bevor er wusste, wer das Opfer war). Aus dieser leicht konstruierten Ausgangslage entspinnt sich eine wirklich interessante Geschichte, die (zumindest für mich mit meinem latenten Geschichtsinteresse) zudem zu Folgeaktivitäten anregt (ich hatte schon länger vor, die Recherche, die der Anwalt gemacht hat auch für ein/zwei Verwandte vorzunehmen, um mehr über die Familiengeschichte zu erfahren – siehe Kriegsenkel-Artikel). Mehr kann und will ich nicht schreiben, lest selber, das Buch finde ich wirklich gut.
Ebenso das zweite Buch – Verbrechen. Hier schildert Schirach anonymisiert skurrile/aussergewöhnliche Fälle aus seinem Berufsleben. Das besondere ist der Stil, der verwendet wird, rein beschreibend, frei von Wertungen oder einer Betrachtung auf einer Metaebene. Man wird aber wirklich in die Fälle reingezogen und der Charakter der Fälle regt immer zum Weiterlesen an – da war kein einziger Ausfall bei den Geschichten dabei. Die einzelnen – in sich geschlossenen Gechichten – sind auch kurz genug, um die etappenweise schnell wegzulesen. Meine Lieblingsgeschichten sind die, in der in Düsseldorf eine Teeschale gestohlen wird und die, in der zwei Nazis einen Mann angreifen wollen und dabei scheitern. Allerdings sollte man sich bewusst sein, dass Gewaltanwendung sehr plastisch beschrieben wird, nix für zarte Gemüter. Die Fernsehserie des ZDF zum Buch fand ich nicht ganz so gut wie das Buch selbst.
Das dritte Buch – Tabu ist ganz anders, es ist am Anfang eine Entwicklungsgeschichte eines Jugendlichen (den Teil finde ich wirklich gut geschrieben), der dann aber ausfranst, an Stringenz verliert und sich dann zu einem Krimi wandeln soll. Soweit bin ich aber nicht gekommen, das ist einers der seltenen Fälle, in denen ich ein Buch nicht zuende gelesen habe. Der “Hänger” bei dem Richtungswechsel ist seltsam uninspiriert und das Buch wirkt in seiner Richtung unentschlossen, schade, die ersten ca 50 Seiten fand ich wirklich schön geschrieben und auch – gerade wenn man die anderen Bücher von ihm betrachtet – auch “out of the box”, eben keine Kriminalgeschichte. Die hätte es auch nicht gebraucht (imho), aber wahrscheinlich gab es keine andere Idee, die Entwicklug des Charakters weiter voranzutreiben, Schade.